Hartz-IV fördert Sanktionen

Fördern und fordern, so lautet der begleitende Leitspruch, auf dem das ehrgeizige Hartz-Konzept der Schröder-Regierung basiert. Großes sollte damit in Angriff genommen werden, nicht weniger als eine grundlegende Umgestaltung der staatlichen Arbeitsförderung. Angesichts von seinerzeit (2002) zirka 4 Millionen Arbeitslosen ohne Zweifel eine drängende Aufgabe. Der vierte und letzte Schritt der Reform sah vor, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzugelegen. Hartz-IV, vor ziemlich genau 5 Jahren eingeführt, hat sich inzwischen jedoch vor allem zu einem Schlagwort für Inkompetenz und allgemeines Unbehagen entwickelt. Darüber hinaus scheint es in der Praxis seltsame Blüten zu treiben.

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Foto: Pressematerial der Arbeitsagentur

Aus Göttingen wird in diesen Tagen von einem Sachbearbeiter des Sozialamts berichtet, der in seiner Freizeit interessiert den Inhalt der Bettelbüchse eines seiner Kunden beobachtete, um daraus eine Hochrechnung auf dessen Einkünfte zu erstellen. Der arbeitslose Hartz-IV Emfänger hatte keinen anderen Weg mehr gesehen, als sich regelmäßig zum Betteln auf die Straße zu setzen. Dummerweise wurde er dabei von dem Sachbearbeiter entdeckt und erhielt kurz darauf die rechtmäßige (?) Kürzung seiner Bezüge.

Die verschobene Jobcenter-Reform wirkt sich selbstverständlich auch auf die Berliner Kunden der Behörde aus. Kein Wunder, da sich in den Jobcentern der Stadt ohnehin schon Akten und Post unbearbeitet zu Bergen stapeln.

Aktuell liegen auch die Zahlen vor, die sich mit den in Berlin verhängten Sanktionen befassen. In erster Linie handelt es sich dabei um eine schrittweise Kürzung der Bezüge, die bis zu 100% gehen kann. Das bedeutet, daß der betreffende für einen gewissen Zeitraum gar keine Unterstützung mehr bekommt. Dabei muß er (der Kunde?) noch nicht einmal bettelnd irgendwo auf einem öffentlichen Platz gesichtet worden sein. Es reicht, wenn er eine verordnete Maßnahme (Förderung?) nicht antritt oder keine ausreichenden Anzahl an Bewerbungen bzw. Bewerbungsabsagen vorweisen kann. Friedrichshain liegt in diesem Ranking übrigens auf einem der Top-Plätze.

Das mit den Maßnahmen ist allerdings so eine Sache. Die Frage wie gut oder schlecht diese sind, stellt sich dabei nicht einmal an erster Stelle. Wohl aber läßt sich vielfach anzweifeln, ob sie immer gut gewählt und angemessen sind. Selbst Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner merkte der taz gegenüber an, daß sie ein gewisses „Augenmaß“ vermisse. Sie selbst hatte die Hartz-Gesetze allerdings auch abgelehnt.

Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an einen meiner Besuche beim Amt, seinerzeit noch tief im Westen. Nach der Lehre wartete ich ein paar arbeitslose Monate auf den bereits zugesagten Platz an einer Schule, wo ich mein Abitur zu machen gedachte. Der zuständige Beamte wollte mich dennoch unbedingt zu einem „Rechtschreib- und Bewerbungskurs“ schicken, was ich damals allerdings lachend ablehnte. Gerade erst hatte ich in der Berufsschule mit erheblichem Erstaunen das Fach Mathematik mit den vier Grundrechenarten begonnen. Noch einmal wollte soetwas nicht unbedingt erleben. Zuvor hatte der gute Mann vom Amt auf meinen mit Bleistift ausgefüllten „Personalbogen“ übrigens mithilfe eines Radiergummis noch Platz für meinen zukünftigen Namen geschaffen. Offensichtlich war der Beamte der Meinung, daß ich irgendwann heiraten und dann anders heißen würde. Mutmaßlich galt seine Hoffnung einem Ausscheiden meinerseits aus seinem Personalbestand durch Eheschließung und Mutterschaft. Beides hat sich bislang jedoch nicht eingestellt.

Soviel zum Thema Kompetenz und Angemessenheit. Obwohl, das war Anfang der 80er, hatte dementsprechend wohl wenig mit der heutigen Situation zu tun. Oder etwa doch?

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