Gestern hab‘ ich mich über die Abendschau massiv geärgert: Zum derzeit allgegenwärtigen Thema „Klimaschutz“ freute sich Cathrin Böhme zunächst über den Beschluss der EU-Regierungschefs, die CO2-Emissionen bis 2020 um 30% zu reduzieren. Noch recht passend leitete sie dann zum nächsten Beitrag über und ermunterte die Zuschauer zu individuellem, klima-freundlichen Verhalten: „Wer bei uns das Klima schützen will, kann schon beim Einkauf damit anfangen“.
Film 1: Klimafreundlich einkaufen
Jetzt ging es um klimaschädliche und klimafreundliche Lebensmittel, bei deren Auwahl jeder Einzelne beim Einkauf die globale Erwärmung ein wenig mitsteuern könne: Man sah Larissa Glatt (Intro: „die drohende Klimakatastrophe zwingt uns zum Handeln…“) mit dem Experten Hüschfels vom Institut für okologische Wirtschaftsforschung über den Winterfeldmarkt bummeln.
Die angebotenen Lebensmittel wurden entsprechend dem durch sie verursachten CO2-Verbrauch bewertet. Ergebnis: bedenkenlos zugreifen kann man jetzt im Winter gerade noch beim „regionalen Apfel der Saison“, sowie bei ebenso regionalen Kartoffeln. 50 bis 70 mal soviel Emissionen verursacht dagegen eine „Flug-Mango“, weil sie mit dem Flugzeug zu uns kommt.
Salat? Im Sommer ok, im Winter lieber nicht, da er im Treibhaus klimaschädlich gezogen wird. Fleisch? Rindfleisch ist die Klimasünde schlechthin: Ein Kilo Rind verursacht soviel Emissionen wie 70 Kilometer Auto fahren, Schweinefleisch entspricht 25 Kilometern, wenn ökologisch erzeugt noch 17 Kilometern (weil ohne Kunstdünger und Importfuttermittel produziert). Eine Klimakatastrophe im Kleinen ist auch der (Schoko-)Weihnachtsmann: Die Milch ist vom Rind, der Kakao kommt von weit her, und die Alufolie der Verpackung setzt dem ganzen die Klimasünder-Krone auf. „Na denn: fröhliche Weihnachten!“, Schnitt und Schluss.
Weihnachtsbraten nein, Lichterketten ja?
Und jetzt wieder Cathrin Böhme mit einer angesichts des gerade gesendeten Films unnachahmlich ignoranten Überleitung zum nächsten Beitrag: „Ist es Ihnen auch schon aufgefallen? Wir stehen vor dem 3. Advent, die Weihnachtsmärkte sind gut besucht, die Geschäfte sogar noch besser. Die Linden leuchten. Tauentzien und Kudamm auch, doch irgendwas fehlt, ist anders als in den letzten Jahren“. Nein, es ist nicht der mangelnde Frost, sondern „die privaten Lichtkünstler in unserer Stadt geben deutlich weniger Vorstellungen ihres Könnens!“.
Es folgt der Film 2 „Einsamer Lichterglanz an dunklen Fensterfronten“ – O-Ton:
Zugegeben, Berlin ist auch in der Vorweihnachtszeit nicht vergleichbar mit Hollywood! Aber es kann doch wohl nicht angehen, dass lediglich die Weihnachtsmärkte für ein bisschen Strahlen in der Stadt sorgen, während die Berliner ihre Fenster völlig lieblos ungeschmückt und unbeleuchtet lassen. Seit Jahren scheint es schon bergab zu gehen mit diesem Engagement, viele lassen die schönste Zeit des Jahres einfach trostlos an sich vorbei rauschen. Die wenigsten kämpfen wie Don Quichotte gegen diesen Trend an und versuchen, mit pulsierendem Herzen an die Zeiten zu erinnern, als jedes Fenster noch ein weihnachtlicher Lichtblick und kein Suchbild war.“
In diesem vorwurfsvollen Tränendrüsen-drückenden Tenor geht es dann auch weiter. Befragte Bürger vermissen „die Weihnachtsstimmung im Wohngebiet“, Lichterkettenhändler bedauern das Ende der „schönen Tradition“ und halten anklagend Lichterkettenpackungen zu 55,70 (!) in die Kamera. O-Ton-Sprecher (Helmut Döring?) fragt sich besorgt, woran die zunehmende Lichterschmuck-Verweigerung wohl liegen mag. An den paar Euro könnte es ja wohl nicht liegen. MEHR fällt ihm in Sachen Ursachenforschung nicht ein, Klima hin, Energiesparen her. Zum Schluss werden noch die Spandauer gelobt, die es noch ordentlich leuchten lassen: „zwar nicht ganz stilsicher, aber liebevoll und weihnachtlich.“
So, was sagt uns das jetzt? Dass die Abendschau keine drei Gedanken dran verschwendet, wie die Aufeinanderfolge ihrer Beiträge wirkt? Dass wir zwar auf den Weihnachtsbraten zugunsten von Kartoffelbrei mit regionalem Apfelmus verzichten sollen, dafür aber das Klima mit „romantischen“ Lichterketten schädigen dürfen, damit es für Touristen netter aussieht?
Ich finde es klasse, dass immer mehr Berliner sich diesen „alten Brauch“ sparen! Und auch die Abendschau hätte zumindest für möglich halten können, dass nicht wenige den vielfachen Aufrufen zum Energie sparen folgen – natürlich zuerst da, wo es nicht so weh tut, zum Beispiel bei der Weihnachtsbeleuchtung.
(Auch im Abendschaublog formulierten Kommentierende ihr Unverständnis bezüglich der seltsamen Beitrags-Zusammenstellung.)
Klimakiller Weihnachtsbeleuchtung: 409 Millionen kWh pro Jahr
Dass es nicht nur ein paar harmlose Lichtlein sind, die da zur Weihnachtszeit strahlen, zeigt ein Ausschnitt der Diskussion zum Thema im Forum Energie-Bewusstsein – Zitat:
Das Heidelberger Institut für Energiedienstleistungen (Ifed) prognostiziert für dieses Jahr einen erschreckenden Energieverbrauch für Weihnachtsbeleuchtungen der Privathaushalte in Deutschland:
Ganze 409 Millionen Kilowattstunden an elektrischer Energie würden laut ihnen dieses Jahr für Weihnachtsbeleuchtungen verwendet. Rechnet man diese mit einem mittleren Strompreis um, so ergeben sich 77 Millionen Euro! Würde man diese Energiemenge auf das gesamte Jahr umlegen, so könnten damit rund 140.000 Haushalte das komplette Jahr über mit Strom versorgt werden. Städte und Gemeinden sind übrigens etwas bescheidener, diese kommen auf nur etwa 10 Millionen kWh elektrischer Energie für die Weihnachtsbeleuchtung.
Will man nicht verzichten, sollte man übrigens keinesfalls Lichtschläuche mit Glühbirnchen verwenden. Wegen der hohen Anzahl kleiner, ineffizienter Birnchen verbrauchen sie viel Energie: Ein neun Meter langer Lichtschlauch mit Glühbirnchen benötigt z.B. ganze 140 Watt, wogegen die Version mit LEDs nur ca. 14 Watt benötigt. Auch eine Zeitschaltuhr spart weit mehr Energie als sie kostet: schließlich muss der Lichterglanz nicht 24 Stunden brennen!
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Update: siehe dazu auch im Digital Diary: Wir können, wenn wir wollen
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