Susanne am
30. April 2009

Das Postfuhramt in Mitte

Ich hab es geschafft, ich war tatsächlich in der an dieser Stelle von mir selbst angekündigten Leibovitz-Ausstellung. Und das kam so: Es ist streßig, ja, aber eben auch ein Glücksfall, wenn man Berlin-Besuch drei Tage lang beschäftigen muß. Das heißt natürlich, nicht nur beschäftigen, sondern auch ein klein wenig berlinbegeistern, hier und da. Immer nur Shopping ist auf Dauer langweilig.

Das Postfuhramt in der Oranienstraße ist ein Prachstück. Von außen schon eine grandiose Erscheinung, besticht es innen mit rustikalem Charme. Grobe Holzböden und bröckelnder Putz, der etliche Schichten und damit ein vielfältiges Farbenspiel freilegt. Ebenso das Treppenhaus, groß, alt und gemütlich. Das Café im ersten Stock befindet sich in der Umkleidekabine der Turnhalle. In dieser hängen derzeit noch die großen Landschaftsbilder der Leibovitz.

Überhaupt paßt die Leibovitzausstellung hervorragend in die Location, nahezu perfekt. Denn auch auf den perfekt inszenierten Fotos platzt oft genug der Putz auf, an den Rändern zumeist. Oder in anderen kleinen Details, die es Wert sind, in Ruhe gesucht und gefunden zu werden. Ein bißchen Zeit sollte man sich auch für den Film nehmen, der an zwei Stellen gezeigt wird. Es handelt sich um eine Autobiographie in Bildern, ein Konzept, das ja auch die ganze Ausstellung prägt. Zu sehen noch bis zum 24. Mai 2009.

[Randbemerkung:David Rieff, Susan Sontags Sohn, der sich die letzten Bilder seiner Mutter als zu intim empfunden hatte, hat jetzt selbst ein Buch über deren Sterben geschrieben. Irgendwie ein Widerspruch, wie mir scheint.]

ClaudiaBerlin am
28. April 2009

Berlin kostenlos mit freeguide-berlin.de

Das ist mal ein wirklich nützliches Web-Projekt! Freeguide-berlin.de bringt ausschließlich kostenlose Events, bei denen der Eintritt ohne wenn und aber FREI ist. In Krisenzeiten immer wichtiger, aber auch ein schönes Zeichen für die „Kultur des Kostenlosen“, die es nicht nur online gibt. „Kultur machen“ ist ja nichts, was nur kommerziell organisiert stattfinden dürfte!

Warum kann man nichts eintragen?

Was mir noch fehlt an der recht ansprechend gestalteten und auch bereits gut gefüllten Seite ist die Möglichkeit, Veranstaltungen einzutragen bzw. vorzuschlagen. Das FEHLEN dieses Features mutet seltsam an, denn genau DAS ist es doch, was so verdammt viel Arbeit macht: das Suchen und Finden der jeweiligen Events! Warum man also in Zeiten des Web 2.0, in denen alle Welt den „User generated Content“ (=vom Nutzter erstellter Inhalt) in den Himmel lobt, nicht offensiv auf Seite 1 um Vorschläge bittet, ist mir ein Rätsel! (Oder bin ich grade blind?? Ich sehe jedenfalls keinen „Veranstaltung eintragen-Link“).

Hier die Pressemeldung in voller Länge: Weiterlesen →

Susanne am
28. April 2009

Ins Jobcenter besser in Begleitung

Keiner muß allein aufs Amt. Oder genauer: kein Erwerbsloser sollte allein ins Jobcenter gehen, insbesondere dann nicht, wenn es um kniffelige Angelegenheiten oder die Klärung strittiger Fragen geht. Die Erfahrung zeigt, daß Kunden, die mit Begleitperson auftreten, grundsätzlich freundlicher behandelt werden. Darüber hinaus ist häufig eine Beschleunigung der anstehenden Vorgänge zu verzeichnen, plötzlich werden lange in den Aktenstapeln schlummernde Anträge bewilligt. Es ist auch durchaus nicht verboten, sich zu einem berweits seit Tagen nervtötenden Termin einen Zeugen mitzubringen. Im Gegenteil: das Kasseler Sozialgericht hat bestätigt, daß bis zu drei Personen mitgenommen werden können.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde in Berlin bereits am 5. März in verschiedenen Jobcentern – unter anderem auch in Friedrichshain und Pankow – ein Begleitservice angeboten. Jeder hatte also an dem Tag die Möglichkeit, sich kurzentschlossen direkt vor Ort einfach jemanden zur Unterstützung mitzunehmen. Heute gab es eine solche Aktion in Neukölln. Da diese Möglichkeit aber nicht immer besteht, ist Eigeninitiative angesagt. Da heißt es, vorsorglich Freunde und Verwandte einzuweihen oder notfalls auch gezielt Anfragen in Internetforen plazieren.

Wichtige Informationen zum Thema Hartz IV, Sozialhilfe und Grundsicherung finden sich natürlich auch im Netz, etwa bei Sozialhilfe24 oder bei Tacheles, einem seit langem auf dem Gebiet tätigen Verein in meiner früheren Heimatstadt, in Wuppertal.

Susanne am
27. April 2009

Berliner Freischwimmer, nachts

freischwimmer.jpg

Am liebsten dümpel ich ganz hinten auf dem Floß, vor Regen- und Vogelschiß gut geschützt unter der gespannten Plane. Die Welt schaukelt ein wenig, vom Club der Visionäre tröpfelt ein wenig die Mucke herüber, aber nicht zuviel, immer gerade richtig, und hinter mir, zwischen Steg und Floß, paddeln die Enten.

Zu finden ist der Freischwimmer (dessen Webpage sich gerade totstellt)  auf der Lohmühleninsel, der Club der Visionäre liegt schräg gegenüber am Flutufer vor Anker. Und wenn es auf beiden Seiten mal zu voll ist für einen gemütlichen Abend am Wasser, dann gibt es in Ruf- und Reichweite noch den gradiosen Garten im Heinz Minki oder die Dachterrasse im Anhalt.

Susanne am
23. April 2009

Berlin am 1. Mai 2009

Es ist noch ein paar Tage hin, doch nächste Woche Freitag ist es endlich soweit. Dann werden wir Bescheid wissen, es selber sehen, miterleben, vielleicht sogar spüren, was geschehen wird an diesem denkwürdigen Tag. Oder aber es in der Zeitung lesen, am Wochenende. Bislang ist dort ja alles nur Spekulation, fast so wie in jedem Jahr. Ein klein wenig schlimmer vielleicht.

Die Morgenpost wittert den Rauch brennender Fahrzeuge,  auch der Tagesspiegel berichtet von Gewaltbereitschaft und Aufrüstung. Ehrhart Körting hingegen hat keine Angst. Linksextreme Gruppen profitieren gar nicht von der Krise, sagt er der Berliner Zeitung. Die CDU hätte vorsichtshalber am liebsten gleich ein Demonstrationsverbot für den Tag.

rotefahne.jpg

Soviel zu dem allgemeinen, alljährlichen Rätselraten, das ohne Zweifel wegen der ohnehin vielbesprochenenen Krise in diesem Jahr besonders gewagt ausfällt. Tatsache ist, daß wider Erwarten in den letzten Jahren jeweils nur wenig Gewalt zu verzeichnen war. Die Nachberichterstattung lobte zwar regelmäßig die gelungenen Deeskalationsstrategien – auf beiden Seiten, eine gewisse Enttäuschung über einen langweiligen 1. Mai war aber mitunter nicht zu überhören.

Eine wirkliche schlüssige Begründung, warum es diesmal anders sein sollte, ist eher nicht gegeben. Sicher, da ist die Krise, die allgemein auf die Stimmung drückt. Vielleicht. Außerdem fällt der 1. Mai in diesem Jahr auf einen Freitag, das scheint praktisch für ein Randalewochenende. Oder etwa nicht? Ganz sicher häufen sich in diesem Jahr die Anschläge auf Autos, Kneipen und andere feindliche Einrichtungen in der Stadt. Das ist eine Tatsache, und meine Freundin in Friedrichshain wird ihr Auto sicherlich irgendwo in Sicherheit bringen. Aber sonst?

Allgemein gehen die Deutschen recht gelassen mit der Krise um, mit den Zumutungen und Einschränkungen, die damit einhergehen, habe ich neulich irgendwo gelesen. Es sei nicht zu erwarten, daß eine größere unzufriedene Masse demnächst protestierend auf der Straße zu finden sei. In Frankreich dagegen sei das grundlegend anders, einige spektakuläre Aktionen, wie etwa das Kidnapping eines Managers, seien ja bereits bekannt. Die Deutschen verließen sich jedoch auf ihren Staat und dessen gut funktionierende Strukturen, und das würde auch so bleiben.

Na ja, abwarten. Wir werden sehen.

Susanne am
18. April 2009

Desirée Nick jetzt gegen Pro Reli

 desiree_nick.jpg

Desirée Nick, bisher eine der prominenten Unterstützerinnen des Gesetzentwurfs, der am kommenden Sonntag zur Abstimmung steht, hat ihre Meinung radikal geändert und steht jetzt für Pro Ethik.

Sie sei auf eine Bauernfangparole reingefallen, teilt sie heute im Tagesspiegel mit. Genaugenommen sei sie Pro Reli auf den Leim gegangen, weil sie das Argument „der Religionsunterricht solle in Berlin abgeschafft werden“ leichtfertig geglaubt habe, ohne sich näher damit zu beschäftigen.

Dieses Manko hat Frau Nick aber nun behoben und findet die für sie üblichen klaren Worte: Die Kampagne ist verlogen, sagt sie und rätselt darüber, wie kann man nur gegen Ethik, Moral und Toleranz sein könne.

Eine multikulturelle Stadt wie Berlin braucht Ethik.