Susanne am
7. Februar 2009

Überfluß

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An meinem Briefkasten klebt ein Schild, das darauf hinweist, daß dort keine Werbeschriften einzuwerfen sind. Nicht jeder Zettelverteiler hält sich daran, aber das macht nichts. Dennoch hält sich die Werbeflut einigermaßen in Grenzen.

Eben greife ich in den Kasten und hole einen dieser Irrläufer heraus. „Ich bin gekommen“ lese ich im Halbdunkel des Treppenhauses. Und bin sofort irritiert. Wer macht denn hier Werbung für Potenzmittel oder Erotika? Ausgerechnet bei mir?

Irrtum, stelle ich kurz darauf fest. Verfasser ist ein Evangelischer Missionsdienst mit einem Postfach in Lauffen am Neckar. „Ich bin gekommen, dass sie im Leben Überfluss haben!“ lautet das vollständige Bibelzitat aus dem Johannesevangelium. Angeblich Kapitel 10, Vers 11, so behauptet es zumindest das Traktat aus dem Jahr 2002.

Meine hauseigene Bibel verzeichnet den Satz allerdings bereits in Vers 10. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“, heißt es da. Die Rede ist übrigens von Dieben.

ClaudiaBerlin am
6. Februar 2009

Pro Reli: es geht NICHT um freie Wahl!

Wenn ich was nicht mag, dann ist es das Verlackmeiern der Leute mit manipulativen Formulierungen! Und das tut die Initiative „pro Reli“, indem sie Ethik und Religion als Unterrichtsfach über den gleichen Kamm schert – und dabei Äpfel und Birnen vergleicht.

Ethik vermittelt Kenntnis über Wertesysteme auf weltanschaulich neutrale Weise – das Fach eignet sich also für staatliche Schulen, die sich aus der Vermittlung konfessionsgebundener religiöser Bekenntnisse meiner Meinung nach heraus halten sollten. Dass man „Religion“ als schulisches Wahlfach anbietet, ist bereits ein Zugeständnis, das aus meiner Sicht nicht erforderlich wäre: Religion sollte von den Kirchen in den Gemeinden vermittelt werden – was hat der Staat damit überhaupt zu tun?

Informationen ÜBER Religionen und ihre Wertesysteme können im Ethik-Unterricht gegeben werden – dann selbstverständlich nicht nur über christliche Kirchen.

Wer also das Konstrukt „Ethik/Religion“ als Wahlpflichtfach fordert (in dessen Rahmen dann zwischen Religion und Ethik gewählt, bzw. von den Eltern bestimmt werden kann), fordert die Möglichkeit staatlich organisierter Zwangsbeschulung im Sinne religiöser Erziehung. Den neutralen Ethik-Unterricht FÜR ALLE will diese Initiative damit faktisch abschaffen. In einer Demokratie darf man das fordern und vertreten – aber man sollte es auch korrekt benennen!

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Siehe dazu auch den Beitrag „Pro Reli – pro Privileg“ des evangelischen Pfarrers Karl Martin.  Und den SPIEGEL-Artikel „Kirche will kritischen Pfarrer auf Linie trimmen“.

Susanne am
3. Februar 2009

Neu in Neukölln

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit im Vorbeigehen gesammelt:

Herausragend zu vermelden ist die bevorstehende Eröffnung von s … cultur, einem modernen Restaurant im AWO-Haus, das besonderen Wert auf die Integration von Menschen mit Handicaps legt.

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Ebenfalls noch in diesem Monat wiedereröffnet wird das berühmte Stadtbad Neukölln, das kurz vor der Sanierung noch als Kulisse in dem jüngsten Spielfilm eines berühmten Scientologen herhalten durfte. Unbedingt sehenswert! (Also das Bad natürlich, den Film kenne ich nicht.)

Schließen dagegen wird – diesmal wohl tatsächlich – die Wohlthat’sche Buchhandlung direkt am U-Bahnhof Rathaus Neukölln. Ich hatte ja schon mehrfach den Verdacht. Schade.

Und die Neuköllner Jugend kümmert sich ab morgen um die Zukunft. Das heißt, sie gründet einen multi-ethnischen Verein, der sich für Integration einsetzt und gegen Gleichgültigkeit und Bildungsdefizite kämpft. Motiviert werden sollen aber nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene. Klingt gut, da darf man gespannt sein.

ClaudiaBerlin am
31. Januar 2009

Ströbele, Friedrichshain, das Alter und ich

Ja, er will wieder antreten – ich hatte im Oktober darüber berichtet. Ob er es nochmal schafft? Daran zweifle ich nicht, denn wer kennt hier schon seine Gegenkandidaten  Björn Böhning (SPD), Halina Wawzyniak (Linke) und Vera Lengsfeld (CDU)? Ja sicher, die parteipolitisch Aktiven werden sie gewiss kennen, doch Christian Ströbele kennt eben jeder.

Der „Lobbyist für die Bürger“ und ewig erfolgreiche Direktkandidat im Wahlkreis „Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost“ ist jetzt 69, denkt aber nicht ans aufhören. Das verstehe ich, denn ich kann mir auch nicht vorstellen, mit meiner Arbeit irgendwann mal einfach aufzuhören. Das wäre wie freiwillig hinlegen zum Sterben.

Deja Vu

Allerdings bin ich auch froh, dass es nicht die aktive Politik ist, die mich in den Sarg begleiten wird. Das wäre mir heute zu stressig (und unbefriedigend).  Zwischen 26 bis 36 war es dagegen wundervoll: damals im Sanierungsgebiet Chamissoplatz Anfang der wilden 80ger.  Nach Friedrichshain bin ich viele Jahre später gezogen, von einem Zwischenspiel in Mecklenburg nach Berlin zurückgekehrt:  die Gerüste vor den Fassaden gaben mir so ein anheimelndes Gefühl, wenn ich drunter durch ging.  Es sah fast genauso aus wie im Chamissokiez vor und während der Sanierung.  Und alles, was ich dann von dem wahrnahm, was hier in Sachen „Stadtgestaltung“ so abgegangen war, kam mir vor wie schon mal selber erlebt – diesselben Fraktionierungen und Grüppchen, sogar das Outfit der „radikal Autonomen“ hatte sich nicht geändert.

Wie schön, da nur noch Zuschauerin zu sein. Eine, die schon mal eine Meinung hat, aber heute einfach wegziehen würde, wenn es ihr hier nicht mehr gefällt. Danach sieht es aber nicht aus, Friedrichshain ist eher hübscher geworden seit den 90gern, gemischter. (Türkische Immigranten vermisse ich als Alt-Kreuzbergerin allerdings immer noch!) Gegen helle Fassaden hab‘ ich nichts, gute Streetart gefällt mir, das allüberall die Wände verunzierende Geschmiere weniger. Und Autos anzünden finde ich voll daneben.

So ist es eben, das alt werden.

Susanne am
30. Januar 2009

Nach Pro Reli jetzt Pro Rauch

Volkbegehren kommen in Berlin schwer in Mode: Erst ging es um das Verhindern von „Mediaspree“, anschließend um den Erhalt von „Tempelhof“. Oder war es umgekehrt? Bis vor kurzem belagerten dann die Leute von Pro Reli jeden Bahnhof und klärten die Menschen über die Sache mit dem Ethik- und Religionsunterricht auf.

Als nächstes kommt nun eine Genußinitiative auf uns zu, wie schön. Obwohl, wenn ich mir das genau ansehe, hat „Pro Rauch“ bei mir wohl ebensowenig eine Chance wie zuvor „Pro Reli“. Sorry, aber mir gefällt es, wie es zur Zeit ist. Ethisch hochwertig und relativ rauchfrei. So oder so ähnlich ist mein Berlin.